Zurück an die Maschinen

Der Maschinenbau hat die Corona-Krise erstaunlich gut überstanden. Für eine Entwarnung ist es aber noch zu früh. Der Kampf ums ökonomische Überleben hat gerade erst begonnen und er könnte noch länger andauern.

Die große Pleitewelle: ausgeblieben. Die kleine auch. Die Zahlen des Kreditschutzverbandes KSV belegen für die metalltechnische Industrie nur wenige Insolvenzen seit dem Beginn des Lockdowns Mitte März: im Maschinenbau waren es bis Anfang Juni sechs, bei den Metallerzeugern und Bearbeitern eine, bei den Herstellern von Metallerzeugnissen neun und bei Unternehmen, die Anlagen installieren zwei. Damit stehen fünfzehn Insolvenzen, die in die Coronazeit fallen, vierzehn Insolvenzen im Vergleichszeitraum des Vorjahres gegenüber. Von einer signifikanten Steigerung keine Spur.

Ein Grund zum Jubel sind die Zahlen dennoch nicht, wie der Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie und CEO der Knill Energy Holding, Christian Knill betont: „Ich will kein Pessimist sein, aber die große Insolvenzen-Welle könnte erst kommen. Noch leben viele Industrieunternehmen von Auftragsbeständen, die sie abarbeiten. Wenn nicht bald neue Aufträge nachkommen, wird es für viele schwierig, vor allem für jene mit einer nicht sehr starken Eigenkapitalbasis.“  Mit Nachdruck fordert Knill daher eine möglichst baldige Aufhebung der Reisebeschränkungen auch in Nicht-EU-Staaten. Denn über Videokonferenzen funktioniere, wie man während des Lockdowns gelernt habe, sehr vieles, Akquise von Neuprojekten gehöre da aber nicht dazu.

Knill - © Kanizaj
Das Vorkrisenniveau werde die Branche bestenfalls 2022 erreichen, sagt Knill. 

Aufträge, Aufträge, Aufträge

Dass die hohe Eigenkapitalbasis Österreichs Maschinenbauern erlaubt hat, einigermaßen gesund durch die Krise zu kommen, bestätigt auch der auf die Branche spezialisierte Unternehmensberater Thomas Baumgartner, Geschäftsführer von Conviba. Wie Christian Knill betont auch er, dass die Unternehmen jetzt vor allem eines brauchen: Aufträge, Aufträge, Aufträge. Kommen die nicht, droht ein Abrutschen in eine gefährliche Abwärtsdynamik: „Wenn der Konsum, von dem letztlich alle abhängig sind, nicht wieder anzieht, sehe ich die Gefahr, dass Mitarbeiter entlassen werden müssen. Denn die Branche ist in einem rezessiven Trend und zwar global.“

Noch rettet die Kurzarbeit die meisten Jobs. Im Branchenschnitt ist jeder zweite Mitarbeiter in Kurzarbeit, in Summe rund 68.000 Menschen. Die Stundenreduktion selbst beträgt durchschnittlich 48 Prozent. Christian Knill will die coronabedingten Kurzarbeitsregelungen nun verlängert sehen. Denn das Vorkrisenniveau, sagt er, werde die Branche vermutlich erst 2024 erreichen, bestenfalls 2022.

Die Kurzarbeit sollte aber nicht nur verlängert, sondern auch flexibler gemacht werden, fordern viele Branchenplayer. Wolfgang Farnady, Managing Director von ZEISS Industrial Quality Solutions Austria/Hungary, erklärt das mit einem Beispiel aus seinem eigenen Unternehmen: „Zu Beginn des Lockdowns, als die gesamte Industrie in eine Schockstarre verfallen ist, haben wir Kurzarbeit in einem ziemlich großen Umfang angemeldet. Als dann ein paar Tage später die ersten Anfragen von Kunden kamen, deren Maschinen dringend ein Service oder eine Reparatur brauchten, hätte es Tage gedauert, bis unser Ansuchen um Verringerung der Kurzarbeit durch alle Instanzen gegangen wäre.“ Erst dann hätte man genug Mitarbeiter, um die Aufträge abarbeiten zu können. Doch tagelang warten, bis Maschinen wieder laufen, das will kein Kunde. Zum Glück, sagt Farnady, sei das AMS in dieser Situation sehr kooperativ gewesen und hat gemeinsam mit dem Unternehmen rasch unbürokratische Lösungen gefunden. 

© Zeiss
Für die Kurzarbeit braucht es Flexibilität und keine Bürokratie, ist Farnady überzeugt. 

Damoklesschwert Rückzahlungen

Doch nun schwebt über Farnady, wie über unzähligen anderen Managern auch, ein Damoklesschwert: „Durch die vielen Regeln und Fristen kann man sich nie hundert Prozent sicher sein, dass hinterher nicht jemand auf eine formale Abweichung stößt und eine Rückzahlung der gesamten Unterstützung fordert.“ Mit der Sachlage vertraute Lohnverrechner gehen davon aus, dass im schlimmsten Fall weit über fünfzig Prozent der Unternehmen, die Kurzarbeit angemeldet haben, von solchen Forderungen betroffen sein könnten. Der Branche, die sich gerade bemüht, auf die Beine zu kommen, wäre damit kein guter Dienst erwiesen.

Denn Gewinner gab es in der Krise ohnehin kaum. Und wenn doch, dann nur ganz punktuell. Bei den Herstellern von Landmaschinen gab es zum Beispiel während der Coronakrise zwar tatsächlich einzelne Betriebe, die zu mehr als hundert Prozent ausgelastet waren, zugleich aber auch solche, die nahezu Totalausfälle hatten. Über die gesamte Branche gerechnet fällt die Bilanz daher eindeutig negativ aus, wie Christian Knill ausführt: „Da hilft es auch nicht, dass der Bausektor ebenfalls recht gut durch die Krise gekommen ist.“

Selbst in jenen Bereichen, die laut ersten Einschätzungen von der Covid-19-Pandemie profitieren  müssten, blieben die großen Zuwächse aus  – etwa bei Medizinausstattern. Der zusätzliche Umsatz, der sich bei ihnen durch die eine oder andere Extrabestellung ergeben hat, ist durch Einbußen bei Service und Reparatur neutralisiert worden, weil Spitäler Routinetätigkeiten und viele Operationen aussetzten und die entsprechenden Geräte weniger beansprucht wurden.

Ausstatter von Industrieunternehmen hat der Einbruch des Servicegeschäfts ebenfalls hart getroffen, wie Peter Watzak-Helmer, der Chef der Helmer Werkzeugmaschinen erklärt: „Wenn Unternehmen wegen Kurzarbeit statt drei Schichten nur zwei Schichten fahren, verbrauchen sie dementsprechend weniger Verschleißteile. Viele bestellen Reparaturteile auch nicht nach, sondern brauchen zunächst einmal ihre Vorräte auf.“ 

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Die Vernetzung von Menschen und Maschinen bringt Produktivitätszuwächse, so Watzak-Helmer. 

Digital aus der Krise

Einen Weg zurück aus der Krise sieht Helmer nun für die Branche vor allem in einer Steigerung der Produktivität: „Was wir unseren Kunden bieten können und womit wir optimistisch sind, Erfolg zu haben, sind zwei Punkte: Einerseits die Prozessverbesserung an den einzelnen Maschinen, andererseits die Vernetzung der Maschinen untereinander. Beides bringt Produktivitätszuwächse und genau das brauchen Unternehmen jetzt.“ Von sieben bis zehn Prozent an Produktivitätszuwachs, der sich durch Digitalisierung erreichen lassen, sprechen jedenfalls Experten.

Der coronabedingte Wunsch, Produktion aus Asien wieder zurück nach Europa zu holen, wird die Entwicklung zusätzlich befeuern, ebenso wie der Wunsch nach einer Diversifizierung der Lieferketten. „Diese Umstellungen bringen viele Chancen für Maschinenbauer, weil neue Standorte entstehen werden. In Europa wird es auch eine große Nachfrage nach Digitalisierung und Automatisierung geben“, sagt Wolfgang Farnady, Managing Director von ZEISS Industrial Quality Solutions Austria/Hungary. Denn wenn Produktionen, die aus Kostengründen nach Asien ausgelagert wurden, zurückgeholt werden sollen, dann könne das ökonomisch nur dann funktionieren, wenn dafür deutlich weniger Personal benötigt wird.

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Digitalisierung und Diversifizierung bringen viele Chancen für Maschinenbauer.